Start-up-Interview: „Wir machen Flexibilität am Intraday-Markt zu Geld“

Start-up Stories – Mittwoch, 09. Dezember 2020

Flexibilität ist das neue Schlagwort der Energiewende. Sie ist wichtig, um kurzfristige Schwankungen im Stromnetz, die durch die erneuerbaren Energien zunehmen, auszugleichen. Mit ihrem Handel lässt sich Geld verdienen. Das erst im Januar gegründete Wiener Start-up enspired hat eine KI-basierte Trading-Plattform entwickelt und bietet den Intraday-Handel nun als Dienstleistung an. Gründer und CEO Jürgen Mayerhofer erklärt, wie das funktioniert.

enspired vermarktet die Flexibilität seiner Kunden am kurzfristigen Strommarkt

Jürgen Mayerhofer hat enspired zusammen mit Mario Schmoltzi im Januar gegründet. Ihr vollautomatisierter Handel mit Flexibilität am kurzfristigen Strommarkt unterstützt den Ausbau volatiler, erneuerbarer Energien.

Herr Mayerhofer, enspired vermarktet seit diesem Jahr als Energiehandelsdienstleister die flexiblen Anlagen seiner Kunden am Intraday-Strommarkt. Warum ist das Thema so wichtig?

Für die Energiewende müssen wir Photovoltaik und Windkraft weiter ausbauen. Diese Art der Stromerzeugung fluktuiert aber stark. Damit das Stromnetz stabil bleibt, braucht es dafür einen Ausgleich. Da gibt es zwei Philosophien: Die eine ist es, möglichst viele neue flexible Anlagen wie etwa Batterien zu bauen. Auf der anderen Seite gibt es aber ungeahnt viel Flexibilität, die herumsteht und nicht genutzt wird, beispielsweise wärmegeführte Anlagen, die ihre Flexibilität noch nicht kurzfristig anbieten.

Wir hatten in Deutschland und Europa schon nahe Blackout-Szenerien. Normalerweise kostet 1 MWh an der Strombörse so etwa 30 bis 40 €. Mitte September waren es plötzlich 1.500 €/MWh, in bestimmten Viertelstunden sogar 4.000 €/MWh, weil keine Reserven mehr vorhanden waren, um den kurzfristigen Bedarf zu decken. Eine Woche später ging es in die andere Richtung, da fielen die Preise mit minus 100 €/MWh ins Negative. In so einem Fall ist dann viel Windstrom bei geringem Verbrauch vorhanden, so dass man bezahlt wird, wenn man Strom verbraucht.

Sie können sich vorstellen, wenn man den Windstrom verdoppelt und sich auf der Flexibilitätsseite nichts tut, werden diese Extremszenerien immer mehr und die Stromversorgung immer teurer. Meiner Meinung nach ist der Flexibilitätsmarkt essentiell, um die Energiewende überhaupt umsetzen zu können. Darum wird er weiter stark an Bedeutung und Volumen gewinnen.

enspired ist das bislang jüngste Start-up in unserer Interviewreihe. Seit ihrer Gründung im Januar 2020 haben Sie innerhalb nur weniger Monate eine vollautomatisierte Handelsplattform für den europäischen Intraday-Stromhandel aufgestellt. Wie funktioniert ihr Geschäftsmodell?

Als Dienstleister bieten wir im Auftrag unserer Kunden deren Flexibilität an den kurzfristigen Strommärkten an. Das heißt, wenn ein Unternehmen zum Beispiel ein BHKW, eine Batterie oder einen Pumpspeicher betreibt oder Ladevorgänge aus dem E-Mobility-Bereich aggregiert, dann vermarkten wir diese Flexibilität möglichst gewinnbringend an der Strombörse. Das ist vor allem für Unternehmen interessant, für die der Handel zu aufwändig wäre oder für energienahe Branchen, wie z.B. aus der Elektromobilität, die sich bislang noch nicht oder nur wenig mit dem kurzfristigen Stromhandel beschäftigt haben. Dabei arbeiten wir rein erfolgsbasiert. Der Kunde hat einen minimalen Aufwand und kein Risiko, denn mit einer Flexibilität kann man kein Geld verlieren.

Zu den vermarkteten Assets Ihrer Kunden gehören kurzfristige Speicher, E-Mobility, thermische und Blockheizkraftwerke sowie Virtuelle Kraftwerke. Gibt es bestimmte Voraussetzungen, damit Sie eine Anlage in die Vermarktung aufnehmen?

Ja, es gibt zwei Anforderungen: Wir übernehmen ab der technischen Steuerung und kümmern uns um die kommerzielle Optimierung. Wir steuern die Anlagen also nicht, sondern übernehmen nur die Flexibilität. Wichtig ist hierbei, dass das Resultat unserer kommerziellen Optimierung tatsächlich von den physischen Anlagen abgefahren werden kann – wir berücksichtigen dabei alle kommerziellen und technischen Restriktionen wie etwa Vorlaufzeiten, Rampen, Lastpunkte etc.

Außerdem gibt es aufgrund der Mindestkontraktgröße an der Strombörse eine Leistungsuntergrenze von 1-2 MW. Im spannenden Segment der E-Mobility macht es Sinn ab ca. Hundert Ladepunkten, beispielsweise beim Corporate Charging. Oder, um noch ein anderes Beispiel zu nennen, sind wir gerade mit Stadtwerken im Gespräch, die wollen 2.000 Kunden zu einer virtuellen Batterie aggregieren.

Worin liegen die größten Unterschiede zwischen ihrer KI-basierten Trading-Plattform und dem manuellen Handel?

Die automatisierte Plattform hat mehrere Vorteile gegenüber dem Menschen. So passieren keine Fehler, die der Mensch machen würde. Außerdem sind Algorithmen in der Regel nicht emotional, das heißt, es gibt keine menschliche Reaktion wie „Oh Gott, ich muss jetzt kaufen oder verkaufen“. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Algorithmus nicht müde wird. Im Gegensatz zur Wertpapier-Börse, die am Abend schließt, läuft der Intraday-Markt rund um die Uhr, das ganze Jahr durch. Ein weiterer Punkt ist die Einbeziehung von sehr vielen Daten. Unsere Plattform können wir mit beliebig vielen Datenquellen füttern, unabhängig von der kognitiven Fähigkeit eines Menschen.

Und schließlich kommt noch die KI-Komponente ins Spiel. Man kann an der Strombörse pro Tag 96 separate Viertelstunden handeln, zeitgleich mit Halbstunden- und Stundenprodukten. Und außer der Tatsache, ob zum Beispiel mehr oder weniger Windstrom als erwartet zur Verfügung steht, spielen noch andere Zusammenhänge eine Rolle. Etwa wie steil eine Last steigt oder fällt oder wie steil Kraftwerke angefahren werden usw. Das alles zu berücksichtigen, in der Ausprägung, wie wir das machen, wäre manuell gar nicht möglich, würde ich sagen. Die KI lernt dabei, ihr Handelsverhalten basierend auf der Marktsituation optimal anzupassen.

Im September hat enspired eine Kooperation mit has·to·be, dem Anbieter einer E-Mobilitätsplattform, bekannt gegeben. Worum geht es dabei?

Bei der Kooperation geht es darum, diese zwei Welten der Elektromobilität und der Energiewirtschaft näher zusammenzubringen. has·to·be bringt dabei ihr E-Mobility Know-how ein und wir unser energiewirtschaftliches. Während sich has·to·be um das Management der Ladesäulen kümmert, übernehmen wir die kommerzielle Optimierung.

In der Energiewirtschaft gibt es beim Stromverbrach zwei Spitzenzeiten, zu denen es teuer ist: Die eine ist am Morgen, wenn die Industrie hochfährt, die zweite am Abend, wenn die Menschen nach Hause kommen, das Licht einschalten, kochen, fernsehen etc. Beim Corporate Charging ist es nun besonders spannend, weil da die Mitarbeiter morgens, wenn sie zur Arbeit kommen, ihr Elektroauto an die Ladesäule stecken, genau dann wenn der Strom teuer ist. Das gleiche gilt für die Firmenflotte, die am späten Nachmittag zurück zum Standort kommt und dann geladen werden soll.

Darum werden wir in einem ersten Schritt die Ladeprofile energiewirtschaftlich optimieren. In zweiten Schritt werden wir die Flexibilität aus den Ladevorgängen handeln. Perspektivisch wollen wir auch mit Vehicle-to-Grid (V2G) arbeiten.

Das Interview führte Simone Pabst

Weitere Informationen: enspired

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