Experteninterview – Was ist drin im Osterpaket zum Ausbau erneuerbarer Energien?

Experteninterview – 26. Juli 2022

Interview mit Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne) zum Osterpaket der Bundesregierung

Das Osterpaket wurde ausgeliefert, am 8. Juli stimmte ihm auch der Bundesrat zu. Wir wollen wissen, was drin ist – feine Pralinen oder hohle Eier? Im Interview gibt Robert Busch Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne) einen Einblick darüber, was sich für Hausbesitzer, Energiegemeinschaften oder Verteilnetzbetreiber jetzt ändert – oder auch nicht.

Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft, bne.

Anfang Juli haben Bundestag und Bundesrat das Osterpaket zum Ausbau der erneuerbaren Energien beschlossen. Was ändert sich jetzt für Hausbesitzer, die in Erneuerbare investieren wollen?

Das Osterpaket macht die Energiewende ein Stück weit einfacher. Bisher wurde man ja eher bestraft, wenn man sich für eine eigene PV-Anlage oder eine Wallbox entschied. Das Paket bringt jetzt deutliche Vereinfachungen bei den Netzanschlüssen für dezentrale PV-Anlagen. Endlich werden Prozesse digitalisiert und bundesweit standardisiert. In Online-Verfahren und über Internetportale sollen Genehmigungen künftig innerhalb eines Monats erfolgen. Auch wenn die Übergangsfrist bis 2025 viel zu lang ist, ist das ein wichtiger erster Schritt, denn heute bleiben Anträge oft mehrere Monate liegen oder Netzanschlüsse werden gleich ganz abgelehnt. Außerdem wird es leichter, Volleinspeisung und Eigenversorgung zu kombinieren. Das hilft, die Dachflächen voll zu nutzen. Hinzu kommen lukrativere Einspeisevergütungen für Voll- und Teileinspeisungsanlagen. Doch bei allem Lob muss ich auch klar sagen, dass die notwendige Geschwindigkeit beim Erneuerbaren-Ausbau durch das Osterpaket noch lange nicht erreicht wird. Dafür ist schon allein das Ausschreibungsvolumen für Dach-PV viel zu gering. Und beim Abbau von Bürokratie besteht nach wie vor Luft nach oben.

Für eine stabile Stromversorgung wird in Zukunft die Flexibilität steuerbarer Anlagen im Verteilnetz, wie PV-Anlagen, Wärmepumpen oder Speicher, eine große Rolle spielen. Doch entsprechende Anreize für Anlagenbetreiber, ihre Flexibilität bereitzustellen, sind bislang Mangelware. Geht es mit dem Osterpaket nun schneller voran?

Die Branche wartet schon seit mindestens 2016 auf eine ermöglichende Verordnung für Flexibilität im Verteilnetz nach § 14a des EnWG. Wenn das Nebeneinander von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen und Stromspeichern gelingen soll, braucht es einen Rahmen für Flexibilitäten im Verteilnetz. Das Osterpaket ordnet das Spannungsfeld zwischen marktlicher und netzdienlicher Flexibilität neu. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) muss nun in einem transparenten Verfahren unter Beteiligung aller Akteure den Paragraphen 14a EnWG marktgerecht und sicher ausgestalten. Die gesetzlichen Vorgaben geben der Einführung von marktlichen und wirtschaftlichen Anreizen klar Vorrang. Das ist auch gut so, denn es schützt die Netzagentur ein Stückweit vor dem Trommelfeuer der Netzbetreiber, die schon bei der letzten Diskussion zu dem Thema eher das Verbieten als das Ermöglichen in den Vordergrund stellten. Zwangsabschaltungen müssen die Ultima Ratio bleiben, die Mischung aus „ich kann nicht“ und „ich will nicht“ muss aufhören.

Wie sieht es bei Quartierslösungen oder Energie Communities aus? Inwiefern verbessert das Osterpaket die Möglichkeiten, dezentral erzeugten Strom auch vor Ort zu nutzen?

Für die Vor-Ort-Energie bringt das Osterpaket zwar punktuelle Neuerungen, aber von einer umfassenden Verbesserung für dezentrale Energiewende-Anlagen sind wir noch weit entfernt. Immerhin kann Mieterstrom künftig größer dimensioniert werden. Auch der Deckel auf Mieterstromanlagen, der momentan noch bei 100 kW liegt, wurde aufgehoben. Damit können auch größere Mieterstromanlagen den Mieterstromzuschlag erhalten. Eine weniger strenge Anlagenzusammenfassung ermöglicht es künftig außerdem, parallel je eine Solardachanlage für Teil- und Volleinspeisung innerhalb von 12 Monaten zu errichten. Das haben wir lange gefordert, denn es stärkt innovative Energiekonzepte und Nutzungsmöglichkeiten vor Ort. Schließlich entfallen mit der Abschaffung der EEG-Umlage künftig bürokratische Abgrenzungsaufwände.

Dennoch, all das reicht nicht: Dezentrale Quartierslösungen müssen sektorenübergreifend ansetzen und gleich die Wärmeversorgung, Speicher und Elektromobilität mitdenken. Die Bundesregierung hat daher vom Parlament den klaren Auftrag bekommen, die Nutzungsmöglichkeiten von Solarstrom vor Ort zu verbessern. Dadurch sollen Stromerzeuger und -verbraucher innerhalb eines Quartiers künftig zusammengebracht und die Entwicklung klimafreundlicher und sektorenübergreifender Modelle erleichtert werden.

Welche Aufgaben kommen auf die Netzbetreiber durch die Beschlüsse im Osterpaket zu, beispielsweise bei der Netzüberwachung?

Die neue Energiewirtschaft fordert Verteilnetze, die leistungsfähige und sichere Plattformen für marktliche Innovation sind. Das Osterpaket geht hier in die richtige Richtung und verlangt den Netzbetreibern endlich mehr Transparenz ab. Die tatsächliche Netzauslastung liegt für die allermeisten Netzbetreiber derzeit noch völlig im Dunklen. Das ändert sich jetzt durch eine verpflichtende Netzüberwachung. Erst wenn eine solide Echtzeit-Erfassung vorliegt, lässt sich seriös beurteilen, ob und in welchem Ausmaß Eingriffe notwendig sind. Ein System der Netzzustandsüberwachung für das Niederspannungsnetz und weite Teile des Mittelspannungsnetzes hat daher oberste Priorität und muss von den Netzbetreibern auch vollständig verantwortet werden.

Gibt es einen zeitlichen Rahmen, bis die Vorgaben rund um die Netzüberwachung und die Netzintegration von steuerbaren Einrichtungen umgesetzt werden müssen? Bis wann rechnet der bne mit nennenswerten Effekten?

Ich gehe davon aus, dass die Bundesnetzagentur den Paragraph 14a EnWG im nächsten Jahr schnell angeht. Die Konzepte liegen ja auf dem Tisch und in weiten Teilen ist sich die Branche einig. Die derzeitige Situation auf dem Strom- und Gasmarkt diktiert momentan natürlich kurzfristige Prioritäten. Klar ist, dass wir schnell Fortschritte brauchen, damit das Netz mit dem Zubau an PV, Wärmepumpen und Elektroautos mithalten kann, denn dies schafft den notwendigen deutlichen Zuwachs an Resilienz in der Energieversorgung.

Ohne intelligente Messeinrichtungen lassen sich weder zeitflexible Stromtarife umsetzen noch Verbrauchsanlagen steuern. Beschleunigt das Osterpaket auch den Rollout von Smart Metern?

Echte Fortschritte bei der laufenden verkorksten Digitalisierung bringt das Osterpaket nicht, das geht wohl auch gar nicht mehr. Trotzdem bin ich optimistisch, denn es zeichnet sich ab, dass es jetzt ein Fenster für einen Neustart gibt. Der BSI-Rückzieher bei der Allgemeinverfügung für den Rollout von Smart Meter Gateways hat auch dem Letzten gezeigt, dass wir zehn Jahre Pleiten, Pech und Pannen bei der Digitalisierung nicht einfach fortsetzen können.

Mit dem Osterpaket hat die BNetzA auch beim Messtellenbetriebsgesetz neue Kompetenzen bekommen. Das sehe ich als deutliche Chance. Die Vorgaben müssen endlich wenigstens den aktuellen Stand der Technik anerkennen. Wir brauchen eine Öffnung für Innovationen, schlankere Vorgaben und schnellere Prozesse. Die Reduktion von Komplexität ist Maßgabe für eine Novelle. Klar ist auch, dass Smart Meter kein Selbstzweck sind, sondern einen echten Mehrwert für die Kunden und das Energiesystem generieren müssen. Variable Stromtarife sind da ein gutes Beispiel. Durch sie könnte Strom längst dann besonders günstig sein, wenn viel erneuerbare Energie vorhanden ist und die Netzauslastung es hergibt. Solche Preissignale kommen dann direkt bei den Kundinnen und Kunden an und helfen dabei, Angebot und Nachfrage auszugleichen.

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