Energy Sharing entscheidend für Ausbau der Erneuerbaren

Trendpapier – 05. Juni 2023

München/Pforzheim, Juni 2023 – Bürgerbeteiligung an der erneuerbaren, dezentralen und digitalen Energiewelt – so lautet eine populäre Forderung aus Gesellschaft und auch Politik.

Die Umsetzung von Energy Sharing, der gemeinschaftlichen Erzeugung sowie dem Verbrauch und der Verteilung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen wird von der Europäischen Union (EU) bereits seit 2021 von den Nationalstaaten gefordert. Dabei sind die EU-27 bis dato unterschiedlich weit vorangeschritten – während Länder wie Österreich, Frankreich oder Italien hier gut abschneiden, hinkt beispielsweise Deutschland hinterher.

Bürgerenergiegesellschaften und Mieterstrom
Energy Sharing ermöglicht es regionalen Stromverbrauchern (Haushalte, Kommunen sowie kleine und mittlere Unternehmen), sich zu Renewable-Energy-Communities (REC) bzw. zu Bürgerenergiegesellschaften (BEG) zusammenzuschließen und gemeinsam Erneuerbare-Energien-Anlagen zu betreiben. Des Weiteren bieten Mieterstrommodelle im Rahmen des Energy Sharing Direktversorgung innerhalb eines Wohngebäudes mit Solarstrom vom Dach für die verschiedenen Mietparteien.

Energy Sharing entlastet Netze
Dadurch werden Preisentlastungen für Bürger mit der unmittelbaren Teilhabe an einer neuen Energiewelt verknüpft. Zudem werden Anreize für einen dezentralen und an die Erzeugungsprofile angepassten Verbrauch erneuerbarer Energien generiert und damit die Stromnetze entlastet. Aus diesen Gründen fordert die EU von ihren Mitgliedsstaaten die nationale Umsetzung und legislative Ermöglichung von Energy Sharing (Art. 22 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, REDII).

Erzeugung: Ja – Eigenverbrauch: Nein
Doch Länder wie Deutschland haben die Umsetzung noch nicht genug vorangetrieben. Zwar ist Energie in Bürgerhand hier schon weit verbreitet. Rund 1.000 BEG realisieren und betreiben Solar- und Windkraftanlagen. Bisher sind jedoch BEG in Deutschland reine Erzeugungsanlagen. Beteiligte Bürger können bisher den Strom ihrer Anlagen nicht selbst nutzen und haben deshalb auch keinen Anreiz, ihren Verbrauch an den gemeinsam betriebenen Anlagen auszurichten. Das Mieterstrommodell wird auch nach jüngsten Anpassungen im EEG 2023 als zu bürokratisch und umständlich eingeschätzt, vor allem für Mehrparteienhäuser mit wenigen Mietparteien.

BEE mahnt zu Ermöglichung der Bürgerbeteiligung
„Die Energiewende ist ein demokratisches Teilhabeprojekt. Sie lebt von der Beteiligung vieler lokaler, regionaler und überregionaler Akteure. In der Eigenversorgung wird ein großer Teil der Bevölkerung aufgrund des sehr engen rechtlichen Rahmens jedoch immer noch ausgeschlossen“, kritisiert Simone Peter, Präsidentin des Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). „Damit auch Menschen und Gemeinschaften ohne eigene Immobilien und Flächen die Energiewende mitgestalten und von günstigen erneuerbaren Energien profitieren können, sollte die Bundesregierung den Vorgaben aus Brüssel folgen und Energy Sharing in Deutschland umfassend ermöglichen. Das würde die Energiewende beschleunigen und die Akzeptanz für den Ausbau stärken“, fordert Peter.

Energy Sharing in Italien
Den Weg weisen hier etliche andere EU-Mitgliedsstaaten. So ist Energy Sharing in Italien schon seit 2020 möglich und die italienische Regierung setzte die Vorgaben der europäischen REDII-Richtlinie Ende 2021 um. Die Mitglieder der Energiegemeinschaften müssen zum selben Hochvolt-Umspannknotenpunkt gehören, die maximale Anlagengröße ist auf ein Megawatt Leistung begrenzt. Der netzdienliche dezentrale Verbrauch wird durch ein Anreizsystem belohnt. So erhalten Anlagenbetreiber eine Energy-Sharing-Prämie in Höhe von 11 Cent für jede innerhalb der Gemeinschaft erzeugte und verbrauchte Kilowattstunde, zusätzlich zur Marktprämie. Die EU hat dies beihilferechtlich genehmigt.

Energy Sharing in Österreich
In Österreich dürfen Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften seit 2021 Strom, Wärme oder Gas aus erneuerbaren Quellen erzeugen, speichern, verbrauchen sowie verkaufen und dabei das Stromnetz nutzen. Auf lokaler Ebene müssen die Erzeuger und Nutzer einen Anschluss am selben Trafo haben, auf regionaler Ebene am gleichen Umspannwerk angeschlossen sein. 230 aktive Energiegemeinschaften gibt es mittlerweile in der Alpenrepublik. Eine zentrale Koordinationsstelle berät und unterstützt. Als wirtschaftlicher Anreiz für die Energiegemeinschaften wirken verringerte Netzentgelte. Im Niederspannungsnetz sind sie um 57 Prozent reduziert, im Mittelspannungsnetz zwischen 28 und 64 Prozent.

Energy Sharing in Spanien, Portugal und Frankreich
Einen fortschrittlichen Rechtsrahmen für Energy Sharing gibt es auch in europäischen Ländern wie Spanien, Portugal und Frankreich. So ist der kollektive Selbstverbrauch in Spanien seit 2015 möglich, aber erst seit 2018 mit Abschaffung der sogenannten „Sonnensteuer“ auf eigenverbrauchten Solarstrom im größeren Rahmen von gesellschaftlicher Relevanz. Erneuerbare Energiegemeinschaften sind dort seit 2020 nahezu wörtlich entsprechend den Vorgaben REDII-Richtlinie der EU definiert. Alle Erneuerbaren-Projekte, die bei landesweiten Ausschreibungen bezuschlagt werden, müssen eine örtliche Bürgerbeteiligung enthalten. Auf regionaler und lokaler Ebene gibt es vielfältige Programme zur Förderung von Energiegemeinschaften. Jedoch stehen diese in Spanien fehlenden Netzanschlusskapazitäten gegenüber, wo sie von den Big Playern der erneuerbaren Erzeugungslandschaft in den Schatten gestellt werden.

Auch in Portugal und Frankreich ist eine gemeinsame Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien über das Verteilnetz möglich. In Frankreich in ländlichen Gebieten bis zu einer Entfernung von 20 Kilometern, in Portugal müssen Erzeugungsanlagen und Verbraucher an denselben Umspannwerken angeschlossen sein. Zudem wird Energy Sharing mit ermäßigten Netznutzungsgebühren belohnt.

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